Deichsanierung – Brüten trotz Baggern

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Im Wesselburenerkoog wird der Deich saniert. Der Süd-Deich am Eidersperrwerk. Notwendig geworden ist diese Maßnahme, da immer mehr Risse in der alten Asphaltdecke auftraten und es auch bereits zu Unterspülungen kam.

„Oh-je, was machen dann die Lachmöwen und Seeschwalben, die jedes Jahr am Sperrwerk brüten?“, war mein erster Gedanke, als ich erstmals von dem Projekt hörte.

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Aber Küstenschutz hat oberste Priorität, das ist auch mir klar. Schließlich wohne ich (und andere) kurz hinterm Deich. Für einen sicheren Deich kann man nicht viel Rücksicht auf geschützte Vögel nehmen, dachte ich, auch wenn’s mir irgendwie Leid tat.

Das sehr wohl Rücksicht genommen wird, erklärte uns, einer kleinen Gruppe interessierter Köger und Urlauber, der Bauleiter Herr Bohnewald bei einer Baustellenbesichtigung.

Und das ist eine durchaus spannende Geschichte.

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Schon im Planungsvorfeld wurde die Stress-Toleranz der brütenden Vögel getestet. Man hat tatsächlich schweres Gerät eigens für solche Untersuchungen auf den Deich gebracht.

Bei ca. 150 Metern fühlten sich die Vögel gestört und flogen auf. In diesem Streifen, direkt am Sperrwerk, durfte in den Brutzeit nicht gearbeitet werden.

Darüber hinaus hat man auf der Nordmole mit Aufschüttungen von Steinen und Sand und einer entsprechenden Absperrung ein Ausweichgebiet für die Vögel geschaffen. Das Ergebnis ist bemerkenswert. In den Jahren zuvor wurden so um die 300 Totvögel gezählt, in dieser Saison nur 34.

Ob das nun auf die zusätzlichen Absperrungen am Sperrwerk (es gab immer wieder Besucher, die die Brutkolonie absichtlich aufschreckten) oder durch die generell enspanntere Situation durch mehr Fläche (das Ausweichgebiet wurde gut angenommen) zurückzuführen ist, ist noch nicht geklärt.

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Und es gab auch viele unerschrockene Vögel, die auf Baggern, den Baucontainern oder Schotterbergen ihre Nester anlegten, erzählte uns der Bauleiter schmunzelnd.

Um diese Wagemutigen kümmerte sich ein eigens für das Projekt angestellter Naturschutzexperte vom NABU. Und so ein Möwengelege kann sogar ein paar Stunden un-bebrütetet bleiben, das macht den Eiern nichts.

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Die gesamte Sanierung des Deiches verläuft in Abschnitten. Vom erstmal ausgenommenen Schutzstreifen ausgehen wurde zunächst die alte Decke abgetragen, dann neues Material aufgebracht.

Der Deich wird nur 30 cm höher aber auf der Deichkrone deutlich breiter (4 Meter – als Ausbaureserve) und am Fuß flacher. „Klimadeich“ nennt man dieses neue Profil.

Es werden Kantensteine für die einzelnen Profilsektionen gesetzt, Fließ ausgerollt, seeseitig eine steinerne Deckschicht geschüttet und landseitig offenporiger Mastix-Asphalt aufgebracht.

Der Mastix-Asphalt  ist deutlich unebener als die vorherige Strassenasphaltdecke. Man rechnet damit, dass sich dort Sand einlagert und später Wildkräuter ansiedeln werden. Er also nicht mehr so schwarz sonder eher grün oder braun, je nach Jahreszeit, aussehen wird.

Und jetzt, nach Ende der Brutzeit (man liegt gut im Zeitplan, die seeseitige Deichbefestigung muss vor Beginn der Sturmflutzeit im Herbst fertig sein) stellen die Seevögel die Bauplanung vor eine neue Herausforderung.

Alle Arbeitsschritte müssen jetzt noch im Schutzstreifen vorgenommen werden (Abtrag und Auftrag) und das, ohne den neuen Deich zu befahren. Und ohne die Straße durch das Sperrwerk in der Urlaubszeit komplett zu sperren. Herr Bohnewald verriet uns wieder schmunzelnd, dass man an dem Plan noch feilt.

Die Stein-Deckschicht seeseitig soll im mittleren Bereich nur zu 60% verschlemmt werden, der Deich insgesamt offenporiger werden, um eindringendes Wasser auch wieder ausdringen zu lassen.

Man rechnet damit, dass die Seevögel auch in diesen Bereich, zumal er nicht mehr so ohne weiteres begehbar sein wird, zum Brüten nutzen werden.

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Und genau hier wird die nächste Herausforderung liegen. Damit die kleinen Küken nicht in die verbleibenden Spalten fallen können, ist es vorgesehen, diesen Bereich jedes Jahr (!) vor der Brutsaison dicht zu streuen. Womit und wie weit ist auch noch nicht klar.

Klar ist aber, dass auf die brütenden Seeschwalben und Lachmöwenkolonien sehr viel Rücksicht genommen wird. Ich finde es großartig, wie man hier Naturschutz und notwendige Baumaßnahmen in Einklang bringt.

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Als einziger Wermutstropfen bleibt für mich, dass man bei Flut von der Deichkrone aus den Meeressaum unten an der Steinschüttung nicht mehr direkt sehen können wird und wohl auch kein Treibgut mehr gesammelt werden kann.

Aber irgendwas ist ja immer.

Seeschwalbenkolonie am Eidersperrwerk

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Von der brütenden Seeschwalbenkolonie am Eidersperrwerk habe ich ja schon berichtet; ein einzigartiges Spektakel, das man von Anfang Mai bis über den Juni hinaus beobachten kann. Das Besondere an diesem Brutplatz ist die Nähe, aus der man die Vögel beobachten kann.

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Die Mole, auf der sich die Seeschwalben Ihre Brutkolonie eingerichtet haben, liegt direkt am Fuß der Aussichtsplattform. Vor ca. 10 Jahren hatten sich die ersten Brutpaare dort angesiedelt und mittlerweile versammeln sich an die 400 Seeschwalben am Eidersperrwerk um Ihren Nachwuchs aufzuziehen.

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Die Mole hat den großen Vorteil, dass Fressfeinde es schwer haben, dorthin zu gelangen. Vom Wasser umspült hält die Mole Fuchs, Marder oder Ratten fern. Für diesen Schutz nehmen die Seeschwalben die Nähe des Menschen offensichtlich in Kauf.

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An Menschenköpfe und Kameraobjektive scheinen sich die sonst eher scheuen Seevögel sogar gewöhnt zu haben. Man könnte fast meinen, sie posieren. Es ist immer die gleiche Abfolge: erst schauen Sie,

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dann wird mit erhobenem Kopf krakeelt

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um sich anschließend zu verneigen.

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Ich persönlich find die Seeschwalben ausgesprochen fotogen. Mit Ihren dichten, kompakten aber doch so feinen Federn wirken Sie fast wie aus Porzellan; der Übergang vom weißen Hals zur schwarzen Prachthaube wie mit einem feinen Pinsel gezogen.

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Die Jungvögel sind zurzeit in einem eher unkleidsamen Entwicklungsstadium. Sie sind nicht mehr niedlich und noch nicht elegant. Ein bisschen hässlich sehen sie aus.

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Der Flaumpelz ist weitestgehend einem Federkleid gewichen, nur einzelne Flamen schauen noch hier und da aus den Federn heraus. Die Federn haben noch das „Tarnfarben-Braun-Gesprenkelt.

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Die Flügel wollen schon fliegen, das wird auch fleißig geübt, aber sie können noch nicht. Noch sitzen die hungrigen Seeschwalbenkinder am Boden und betteln nach Fisch.

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Es wird aber nicht mehr lange dauern, bis aus diesen hässlichen Entchen die schönen Schwäne werden. Bis die Kleinen auch auf dem Geländer sitzen und schauen,

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krakeelen

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und sich verneigen.

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Aus der richtigen Perspektive betrachtet, kann man in dieser Verneigung sogar eine gewisse Komik entdecken.

 

Der NDR hat einen kurzen Film (3 Minuten) über die Seeschwalbenkolonie am Eidersperrwerk gedreht. Wer Interesse hat kann sich den Beitrag in der MediaThek anschauen. Er ist nicht nur sehenswert sondern vor allem hörenswert!

 

 

Möwen-Alarm am Eidersperrwerk

Jedes Jahr im Frühjahr gibt es ein ganz besonderes Spektakel am Eidersperrwerk zu beobachten. Hunderte von Seeschwalben (schwarze Haube) und Lachmöwen (schwarzbrauner Kopf – das Prachtkleid) finden sich dort ein, um zu brüten und ihren Nachwuchs aufzuziehen. Und hunderte von Hobbyfotographen finden sich ein um die besten Bilder zu schießen. So natürlich auch ich.


Zunächst schaut man sich um und sortiert die Lage. Irgendwo muss doch die Lachmöwen-Dame der Wahl zu finden sein.

Ist die Entscheidung getroffen, muss man auf sich aufmerksam machen. „Hallo – schau‘ doch mal her… wie wär’s mit uns beiden?“


Glück gehabt. Die Dame der Wahl ist nicht abgeneigt. Gemeinsam werden kleine Lachmöwen gemacht. Der Rest der Gesellschaft schaut dezent weg…

Ein Nestplatz ist schnell gefunden und nun heißt es geduldig auf die Dinge warten, die da kommen.


„Alles klar bei Dir?“ scheint er seine Seeschwalben-Dame zu fragen. Es ist absolut faszinierend wie in diesem Gewimmel der eigene Partner wiedergefunden wird. Noch faszinierender wird es, wenn die Kleinen erst mal geschlüpft sind. Die Eltern kreisen dann mit dem Fisch im Gepäck über dem Brutplatz und finden den eigenen Nachwuchs aus hunderten von hungrig schreienden Jungvögeln zielsicher heraus.


Aber so weit ist es noch nicht, noch kümmert man sich um das Gelege. Die Seeschwalben machen nicht viel Zauber um das Nest, Hauptsache die Eier rollen nicht weg. Hier wurden 2 kleine Seeschwalben auf den Weg gebracht.


Putzig wie der Kleine mit seinen viel zu großen Füssen daherschreitet. Hier bin ich mir übrigens nicht sicher, was aus dem kleinen Kerl mal werden soll (wer kennt sich besser aus?), aber süß ist er auf jeden Fall!


Der Brutplatz am Sperrwerk liegt direkt neben dem Radweg und man sollte meinen, dass sich die Vögel an Publikum gewöhnt haben. Aus sicherem Abstand schauen ist in Ordnung, wer aber zu dicht kommt, wird eines besseren belehrt. Schon der ein oder andere ist mit einer blutigen Stirn gestraft worden.