Ich hatte ihn letzten Freitag, dann am Montag und am Dienstag immer an der gleichen Stelle, auf dem Weg an unserer Badestelle im Koog, beobachten können.
Das erste Mal, als er mir auffiel, hätte ich ihn fast über den Haufen gelaufen. Plötzlich huschte etwas Braunes neben mir weg. Nicht weit, ein paar Hüpfer nur. Ein kleiner Strandläufer. „Seltsam, dass der nicht wegfliegt“, dachte ich noch.
Am Montag ein ähnliches Bild. Wieder hatte ich ihn nicht gesehen und war sehr dicht an ihm vorbeigelaufen. Wieder huschte er vor mir zur Seite. „Der muss was haben, das ist nicht normal“, überlegte ich im Weiterlaufen.
Strandweg
Am Dienstag suchte ich ihn und fand ihn mit seinem langen spitzen Schnabel stochernd am Rand einer Pfütze. Er suchte Nahrung. Als ich ihm zu nah kam, humpelte er langsam vor mir her.
„Was hat er mit seinem Bein? Kann er nicht mehr fliegen? Wird er verhungern, sterben müssen?“
Ich laufe fast täglich bei uns am Strand und die Aussicht, diesen kleinen Kerl weiter leiden sehen zu müssen, trieb mich um. Nein, das wollte ich auf keinen Fall. Aber was kann man tun?
April, Mai, Juni, das sind für mich die schönsten Monate im Jahr. Nicht nur, dass die Natur erwacht, es überall grünt, wieder warm wird und die Tage länger. In diesen Monaten ist auch die Brutzeit vieler Küstenvögel, die ihren Nachwuchs bei uns an der Nordseeküste großziehen werden.
Das Katinger Watt, mit seinen weiten Wiesen- und Wasserflächen, ist eine der artenreichsten und landschaftlich reizvollsten Kinderstuben. Es liegt quasi vor meiner Haustüre und doch ist es schon erstaunliche zwei Jahre her, dass ich dort die kleinen Graugänse beobachtet habe. Warum eigentlich?
Vogelbeobachtungshütten im Katinger Watt
Vor meiner ersten Entdeckungstour in die Welt der Graugänse hatte ich mir ein sündhaft teures Tele-Zoom gekauft und tatsächlich ein paar schöne Szenen einfangen können. Doch das Objektiv und ich wurden keine Freunde; zu groß, zu schwer, zu umständlich. Es landete in der sprichwörtlichen Ecke.
Aber das Thema wollte und will mich nicht loslassen. Begeistert (und ein wenig wehmütig) folge ich Tanja oder Cindy und Ihren faszinierenden gefiederten Bildern. Oder Linsenfutter. Und bei Linsenfutter lief sie mir über den Weg. „Das ist es!“, wusste ich sofort.
Das ungeliebte Tele ließ sich verkaufen und eine P900 wurde bestellt.
Katinger Watt – geschützter Brutraum für viele Vögel
Säbelschnäbler – immer synchrohn
Nonnengans – immer hungrig
Jetzt konnte ich es kaum erwarten, wieder auf Vogelfang zu gehen. Am ersten sonnigen Nachmittag ging’s los.
Die Vogelbeobachtungshütten liegen nicht weit vom NABU Naturzentrum Katinger Watt. Man parkt am besten am Zentrum und läuft dann den Deich hinauf und ein Stück über die Schafswiesen. Von dort führt ein schmaler Weg zwischen zwei hohen Erdwällen direkt zu den Hütten.
Herr Schnatterente schüttelt sich das Wasser aus den Federn
In den Hütten trifft man neben Vogelfreunden mit Fernglas auch auf den passionierten Naturfotografen, der in tarnfarbener Outdoor-Kleidung seine „lange Tüte“ samt Stativ vor einer der Schiebeluken positioniert. Im Raum nur gedämpftes Flüstern, kaum hörbares Summen der Zoom-Motoren, diffuse Lichtfetzen, die durch die Holzspalten einfallen.
Und ich mittendrin, in rotem Hemd und mit lautem Klick-Klick. Herrjeh…
Familie Graugans
„Eine P900?“, spricht mich plötzlich ein Herr an, der gerade seine Kamera neben mir auspackt. „Darf ich ihnen zeigen, wie Sie das Klicken ausstellen können?“, flüstert er fragend und hat meine Kamera schon in der Hand.
„Ich habe sie ganz neu“, entschuldige ich mich und beschließe, das jetzt nicht peinlich zu finden.
Silberreiher mit gelbem Schnabel
Reiher-Ente : Vorlage der Quietscheente
Flussregenpfeifer – Vogel des Jahres 1993
„Ach, sie fotografieren im Automatikmodus?“, fragt er weiter, nachdem er meine Kamera auf lautlos gestellt hat. „Für Vogelaufnahmen würde ich…“, und schon erhielt ich einen kompakten Einführungskurs in meine neue Kamera.
Der freundliche Herr schob mir dann noch seine Visitenkarte hin. Falls ich noch Fragen hätte. Wie nett!
Ein paar Minuten später hörte ich ein leises „Mist, Speicherkarte voll!“ und der freundliche Natur-Fotograf René Schaack verabschiedet sich. Sieh an, auch der Profi hat mal eine Panne!
Der schlafende Schwan
Mein Speicherplatz reichte locker für eine stattliche Ausbeute von über 300 Graugans-, Säbelschnäbler- und Entenbildern.
Nach der ersten Durchsicht sollten so bummelige 100 Fotos übrig bleiben, ein Viertel davon wird es wohl in den Blog schaffen. Kein zu schlechter Schnitt, finde ich.
Die Graugans – sehr fotogen und eines meiner Lieblingsmotive
Und ich habe eine Menge Neues gelernt und gesehen. Ich habe den Flussregenpfeifer kennengelernt (der kleine Piepmatz mit den gelben Augenringen), meinen ersten Silberreiher fotografiert und eine Schatterente – ja, die gibt es wirklich, die heißt tatsächlich so – beim Trockenschütteln erwischt.
Nur der Haubentaucher, der war mir abgetaucht. Plötzlich war der Sucher leer und ich konnte ihn nicht wiederfinden. Wie schade. Aber Spass hat es trotzdem gemacht!