Nun haben wir schon den zweiten Advent hinter uns, das zweite Licht hat schon gebrannt und die Tage bis zum Fest fangen an zu fliegen.
Unsere lokale Zeitung hat jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit oben rechts auf der Titelseite einen kleinen Weihnachtsmann abgebildet. Er verkündet freudig, wie viele Tage es noch sind bis Weihnachten.
Ich weiß nicht, was die Redaktion ihren Lesern damit sagen will. Will sie uns in stetig wachsende Vorfreude versetzen oder uns mit den immer weniger verbleibenden Tagen stressen? Ich jedenfalls hab‘ diesen täglichen Count-down noch nie gemocht.
Noch zwölf Tage und dann muss alles perfekt sein. Der Baum und das Menü stehen, die Geschenke verpackt sein und die Stimmung besinnlich. Und bitte keine Panik, das lässt sich alles noch locker schaffen.
Aber es geht auch ganz anders. Wir haben gerade Gäste, ein bezauberndes Pärchen aus dem Süden der Republik, aus einer Gegend, in der schon der erste Schnee lag.
„Ach wie schön, da möchte man Weihnachten verbringen“, denkt ihr jetzt vielleicht. Aber was machen die Zwei? Sie kommen tatsächlich den ganzen Dezember zu uns hier hoch an die Nordsee.
Sie kommen ganz ohne Baum, Menü, Geschenke und Besinnlichkeit. Dafür aber mit so viel Vergnügen an Wetter, Wellen und Weite. Jeden Tag sind sie unterwegs und genießen die leeren Strände, den kalten Wind und die jetzt noch kargere Landschaft.
Wenn sie gegen Abend „nach Hause“ kommen, mit roten Wangen und leuchtenden Augen, dann sieht man ihnen die Freude an.
Ihre Kinder sind schon lange aus dem Haus, auch die Enkel haben bereits andere Weihnachtspläne und die beiden Rentner entschieden sich für ihr eigenes, ganz persönliches Festtagsgeschenk.
Sie lieben die Nordsee und erfüllen sich einen schon so lange geträumten Traum: einmal den Winter hier oben verleben.
Sie erwarten kein Winterwunderland, sie kamen mit ganz realistischen Vorstellungen von der Nordsee zu dieser Jahreszeit. Sie wissen, unser Winter ist nicht schnee-romantisch. Sie wissen, er ist rau, er ist kalt und er kann unbarmherzig sein.
Und Sie wissen, Sturm und Regen gehören dazu.
Sie sind glücklich und dankbar, dass Sie nach einem arbeitsreichen Leben ein annehmbares Auskommen haben und dass sie noch immer so gut laufen können. Sie bummeln nicht über die Weihnachtsmärkte oder durch die weihnachtlich glitzernden Einkaufspassagen.
Ihr tägliches Ziel ist der Weg durch die Natur. Stundenlang erlaufen sie sich die spröde Schönheit unserer einsamen, grauen Landschaft.
Sie werden auch den Gänsebraten nicht vermissen, sie freuen sich auf Marsch-Kartoffeln und Matjes.
Sie geben zu, dass es Ihnen in den ersten Tagen noch recht ungewohnt war, nach dem Frühstück keine wartenden Verpflichtungen zu haben. Aber sie sagen auch, dass es Ihnen mit jedem Tag ein wenig leichter fällt, nichts zu müssen sondern einfach nur zu sein.
Es sind noch zwölf Tage bis Weihnachten, und wenn Ihnen das nicht reicht, um ganz anzukommen, dann macht das auch nichts. Sie bleiben ja noch den ganzen Januar.
Auch Euch wünsche ich eine entspannte Adventszeit, schöne Festtage und macht Euch keinen Stress. Nicht jedes Weihnachtsgeschenk braucht Glanzpapier und Schleifenband.