Förde-Steig – von Flensburg nach Solitüde im Regen

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Unser verpatzter Helgoland-Trip führte uns, wie schon berichtet, nach Flensburg und da wir ja nun den Rundweg übers Oberland nicht laufen konnten, war eine Alternative nötig. Ein schöner, ausgiebiger Spaziergang an der Förde entlang.

Wir entschieden uns für ein Stückchen des Fördesteig, ein ca. 90 km langer, ausgeschildeter Wanderweg von der dänischen Grenze bis nach Kappeln.

Aber wie es meist mit Wegen am Wasser ist, sie sind selten Rundwege und man muss den gleichen Weg zurück. Den gleichen Weg zurück, das verkürzt die Strecke ja mindestens um die Hälfte.

Ein Blick in den Busfahrplan Flensburgs versprach uns jedoch eine Bus-Rückfahrt von Solitüde zum ZOB. Das war ein guter Plan.

Der Wettergott meinte es immer noch nicht gut mit uns, bei dunklen Wolken und Dauerregen starteten wir von der Hafenspitze Flensburgs die Tour an der Förde entlang. Tristes, dunkles Grau hüllte das Hafenufer und ein paar einsame Boote auf dem Wasser in eine trostlose Kulisse.

Direkt in Flensburg war der Fördesteig nicht besonders attraktiv. Lag das nun am Dauerregen oder an dem Umstand, dass wir einmal falsch abbogen und durch den Industriehafen stiefeln mussten?

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Nach einer gefühlten, feuchten Ewigkeit erreichten wir die Marina „Sonwik“. Auch hier das gleiche Bild, grau und nass.

Während wir im Marina-Restaurant „Odore del Mare“ bei einem profanen Flens (das passte ganz wunderbar zu unserem durchweichten Outfit) abtrockneten, speiste am Nachbartisch ein Seglerpaar zu Mittag.

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Bei herüberduftenden italienischen Nudeln, knackigem Salat und einer gepflegten Flasche Weißwein philosophierte man über das Wetter. Irgendwie kam in mir das Gefühl auf, etwas falsch gemacht zu haben…

Im Hafenbecken begann ein noch nasseres Schauspiel, die Vorführung einer Rettungsinsel. Gut zu wissen wie das geht, aber sicher kein Spass und hoffentlich nie notwendig! Halbtrocken und froh machten wir uns wieder auf unseren Weg.

Am Ende des Hafens, gleich neben der Mole Sonwik, kamen wir an den sogenannten „Wasserhäusern“ vorbei.

Hier also gab es die perfekte Erfüllung all meiner Sehnsüchte. Ein Haus am Wasser, was sag‘ ich, auf dem Wasser, mit einem Bootssteg vor der Tür, mit Balkon und Dachterrasse.

Sollte es jemals wieder aufhören zu regnen, stellte ich mir den Ausblick von da oben, gemütlich im Liegestuhl sitzend, traumhaft vor.

Leises, eintöniges Wanten-Klappern im Ohr, ein Glas Wein in der Hand und die tief stehende Sonne spiegelt sich auf der glitzernden Förde. Weiße Segel leuchten im blauen Wasser… Dicke Regentropfen rissen mich aus meiner Träumerei.

Der weitere Fördesteig führte uns nun immer direkt am Wasser entlang und bot schöne Ausblicke auf die Förde. Bunte Fischerhütten säumten den Uferweg und in der Ferne tauchte irgendwann der kleine Strand von Solitiüde auf.

In Solitüde angekommen war es bestimmt schon eine halbe Stunde trocken und als wir in den Bus zurück nach Flensburg stiegen, lugten die ersten Sonnenstrahlen durch die langsam aufreißende Wolkendecke.

Zurück am Ausgangspunkt, der Flensburger Hafenspitze, genossen wir die ersten und auch letzten Sonnenstrahlen des Tages.

„Und morgen fahren wir mit dem Bus nach Glücksburg (!), laufen von dort eine weitere Etappe des Fördesteig zurück bis Solitüde.“

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Das war auch ein guter Plan, denn am folgenden Tag sollte es warm und sonnig werden. Das wir das noch erleben durften…

Flensburg – Rote Straße und noch mehr Höfe

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Flensburger Bürger mögen es wissen, die Rote Straße hat nichts mit der Farbe Rot zu tun. Auch befand sich dort nicht das Amüsier-Viertel der liebeshungrigen Seefahrer.

„Rote“ ist tatsächlich ein Überlieferungsfehler und leitet sich von „Rode / Rodung“ ab. Früher gelangte man hier durch das „Rode Tor“ zu einem Wald am südliche Stadtrand.

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Heute ist die Rote Straße eine belebt und beliebte Fußgängerzone mit vielen kleinen schmucken Läden und fünf ebenso entzückenden Höfen, durch die ich heute mit euch bummeln möchte.

Vom Südermarkt kommend biegen wir als erstes in den Roten Hof ein. In früheren Zeiten dienten Stallanlagen im hinteren Teil des Hofs als Ausspannquartier für die Pferde der Bauern und Handelsreisenden, die auf dem Südermarkt ihre Waren anboten.

Heute finden wir das gleichnamige Restaurant-Cafe in den ehemaligen Stallungen, das zu jeder Tageszeit einen Besuch lohnt. „Draußen wird nur unter den Schirmen bedient“ stand auf einer Tafel geschrieben und wir ergattern den letzten freien Tisch unter einem Sonnen-(Regen-) Schirm.

Die Bestellung eines „Kaffee-Schock“ am Nachbartisch erregte meine Neugier und wenig später probierte ich meinen ersten Café Choc, ein Espresso mit Schokolade und aufgeschäumter Milch.

Noch mehr Kaffee-Spezialitäten gibt es gleich um die Ecke im nächsten Hof.

Dem Duft von frisch gemahlenen Kaffees folgend biegen wir nur ein paar Schritte weiter in den Sonnenhof. Die Kaffeerösterei Tunger hat dort Ihren Sitz, der Hof wurde als Feng Shui Anlage gestaltet.

Hätte es nicht immer noch vom Himmel gepladdert, wären die kleinen Tischchen im Hof sicher gut besucht gewesen. So drängelte man sich im Café der Rösterei und wir zogen weiter in den Blumenhof.

Im Blumenhof bilden prächtige Beete und üppige Bepflanzungen einen ganz eigenen Kontrast zu den mächtigen Fassaden der Hofeinfassung.

Der Blumenhof wirkt sehr edel, die Auslagen des Nobelle-Shops, exklusive Dekorationen, unterstreichen diesen Eindruck.

Wir schlendern weiter und biegen in den Krusehof ein. Hier empfängt uns die Wiege der Höfe der Roten Straße und wohl auch einer der schönsten.

In der Mitte der 1970er Jahre hatte sich der Künstler Günther Kruse seines Hofes angenommen, ihn von allen Bausünden der Nachkriegszeit befreit und in liebevoller Kleinarbeit restauriert.

Kruse verwendete keine neuen Baustoffe, alles kam vom Abbruch oder Schrottplatz. Ihm ist ein idyllisches Kleinod gelungen und von der Widerbelebung des Krusehofes ausgehend die Belebung der gesamten Roten Straße.

Heute kann man im Krusehof in einer bezaubernden Weinstube diese besondere Atmosphäre erleben.

Jetzt bleibt noch der fünfte Hof und hier trifft Wein auf Rum und es schließt sich der Kreis.

Der Braaschhof, der genauer gesagt aus zwei hintereinanderliegenden Höfen besteht, ist nach dem Wein- und Rumhaus Braasch benannt. Im lauschigen, von rankendem Wein umrahmten Innenhof trifft man sich abseits vom Alltagstrubel auf ein Glas Wein.

Im zweiten der beiden Höfe befindet sich das Braasch Rum Manufaktur Museum. Dort wird die Geschichte vom Zucker, von den karibischen Inseln, Kolumbus und dem Flensburger Rum erzählt.

Dem Rum, den Frachtseglern, den reichen Flensburger Kaufleuten und den Höfen…

 

Flensburger Kaufmannshöfe – oder wie Kolumbus den Rum entdeckte

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So wie das Marzipan für Lübeck oder die Bratwurst für Nürnberg stehen, so verbindet man Flensburg landläufig mit Bier und „Punkten“. Das Flensburg aber auch eine Rum-Stadt ist, ist wohl nicht ganz so geläufig. Flensburg war das Zentrum des Rum-Handels.

In der Blütezeit des Westindienhandels brachten die Frachtsegler der dänischen Westindienflotte, die ihren Haupthafen im 18. Jahrhundert im damals dänischen Flensburg hatten, hauptsächlich braunen Rohzucker und Roh-Rum aus der Karibik mit.

Die Kontor- und Wohnhäuser der Flensburger Kaufleute entstanden im heutigen Straßenzug Norderstraße-Große Straße-Holm, in den schmalen langen Hinterhöfen lagen ihre Pack- und Lagerräume mit Zugang zur Förde. Mit dem Niedergang des Überseehandels verfielen auch die meisten Höfe.

Erst Mitte der 70er entdeckten die Flensburger diese Kleinode neu und begannen ihre Hinterhöfe zu restaurieren. Heute sind diese wunderschön gestalteten Höfe eine Attraktion der Flensburger Altstadt, laden zum Entdecken ein und erzählen ihre ganz eigenen Geschichten.

Der Burghof zum Beispiel verbindet die Toosbüystrasse No 11 mit der Marienstrasse No 22. Dieser Hof ist jedoch kein Kaufmannshof, hier wurden Mehrfamilienhäuser in eine schwer zu bebauende Baulücke geplant. Ganz im Stil einer Burg, mit verzierten Backsteinfassaden und Kopfsteinpflaster. War das der soziale Wohnungsbau jener Zeit?

Nicht weit vom Bughof entfernt, in der Marienstrasse, liegt das Rumhaus Johannsen  (nicht zu verwechseln mit dem Hansen-Rum). Die Produktion und der Verkauf von Rum und Rum-Verschnitt befinden sich in dem kleinen Hof des Familienunternehmens.

Mit der Entdeckung der Westindischen Inseln, die Kolumbus irrtümlicher Weise vor Indien ansiedelte,  fand er nicht die erhofften Schätze wie Diamanten und Edelsteine sondern Zuckerrohr. Das Zuckerrohr, das mit der Zucker- und Rumherstellung Flensburgs Kaufleute reich machte.

Von um die 30 Rum-Firmen existieren heute nur noch zwei und bei Johannsen wird die Tradition der Produktion von authentischem Flensburger Rum-Verschnitt seit 1878 aufrecht erhalten.

Die „Neptunus“ war es, die 1755 als erster Segler die Flensburger Förde Richtung Karibik verließ. Der Neptunhof liegt gegenüber dem Nordermarkt, der Neptunbrunnen zieht den Marktplatz.

Für die Rum-Herstellung wird Zuckerrohr-Melasse (Abfallprodukt der Zuckerherstellung) gegärt und anschließend destilliert. So entsteht der Roh-Rum, der mit bis zu 75% Alkoholgehalt pur fast nicht trinkbar ist.

Diesem Roh-Rum wurde in den alten Flensburger Rumhandelshäusern Wasser und Neutralalkohol zugefügt; es entstand der Flensburger Rum-Verschnitt.

Der „Borgerforeningen-Hof“ erzählt die Geschichte des Flensburger Bürgervereins, der 1835 für ein geselliges Zusammentreffen der reichen Bürger der Stadt gegründet wurde.  „Borgerforeningen“ war damals der „feine“ dänische Verein Flensburgs.

Dieser Verein erwarb das Grundstück Holm 17 und baute dort das heute noch bestehende Vereinsgebäude. Der gleichnamige Hof ist einer der belebtesten Kaufmannshöfe der Stadt.

Ehre ruhiger geht es im Käte-Lassen-Hof zu, der sich auch im Holm (No 49-51) befindet.  Dieser Hof ist im Familienbesitz und weist eine lange Handelshof-Tradition auf. Die Goldschmiede Lassen hatte hier ihren Standort und war das Elternhaus der Malerin Käte Lassen.

Die Hofgestaltung wirkt eher sachlich vornehm, ist im Detail nicht so verspielt wie andere Höfe. Dieser Stil ist wohl dem Werk der Künstlerin geschuldet. Heute befindet sich in diesem Hof unter anderem ein elegantes Hut-Geschäft.

Ob nun Skulpturen und Brunnen, bunte Blumentöpfe oder schlichte Grünpflanzen-Arrangements den Hof zieren, ob die Fassaden alten Backstein oder bunte Farben tragen, Gastronomie sich angesiedelt hat oder feine Läden Edles anbieten; die Atmosphäre ist in jedem Flensburger Kaufmannshof einzigartig und sehenswert.

Und wer jetzt Lust auf Kaufmannshöfe, Frachtsegler-Romantik und Rum bekommen hat, kann sich ja mal den Termin der nächsten Rumregatta am 12. Mai 2018 in Flensburg notieren.

Spontan nach Flensburg

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In meinem letzten Blog-Beitrag schrieb ich: „In diesem Sommer waren der Wetterbericht und Spontanität zwei unverzichtbare Eckpfeiler eines gelungenen Sommer-Ausfluges“, und fand meine Aussage auch noch originell.

Nun wurde ich von meiner eigenen Witzigkeit eingeholt. Am Freitagmorgen, mit gepackten Koffern für ein Wochenende auf Helgoland, am Fähranleger der „Funny Girl“ in Büsum. Denn dort stand ein Schild: „Heute keine Abfahrt“.

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„Natürlich können Sie Ihr Geld wieder bekommen. Oder auf Samstag umbuchen. Samstag wird es ruhig (*), Sonntag soll es aber wieder 6 bis 7 Windstärken geben. Das könnte unangenehm werden.“, erklärte der freundliche Herr im Schalterhäuschen.

Um es kurz zu machen, ich entschied mich für „Geld zurück“ und wir fuhren spontan nach Flensburg.

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Blick aus dem Hotel auf die Hafenspitze und die östliche Förde

Beginnen wir also diesen stürmischen, verregneten Freitag mit einem Spaziergang durch die Fördestadt. Gleich neben unserem Hotel befindet sich das Kopagnietor, das ehemalige Gebäude des Flensburger „Schiffergelags“. Hier tagte der Seegerichtshof und waren die städtische Waage und die Handelsbörse untergebracht.

Die Hansen-Brauerei lassen wir links liegen, noch ist es viel zu ungemütlich für ein Bier.

Etwas weiter die Förde hinauf erreichen wir den Museumshafen mit seiner kleinen Museumswerft. Hier liegen historische Frachtsegler und Kutter der Ostsee sicher am Bohlwerk des Hafens vertäut.

Historische Schiffe geben jedem Hafen ein ganz besonderes Flair und ich stehe dann immer sehnsüchtig am Kai und verfalle in Seefahrer-Romantik. Sogar bei Dauer-Nieselregen.

Die Möwen an der Fischbrötchenbude gleich neben dem Werftgelände sind so an Menschen und ihre Brötchenkrümel gewöhnt, sie posieren ganz unerschrocken in die Kamera.

In der kleinen Museumswerft werden noch heute historische Frachtensegler und Arbeitsboote des 18. und 19. Jahrhunderts gebaut. Aber auch restauriert.

Bei einem Bummel über das Werksgelände spürt man die fast vergessene Idylle des traditionellen Bootsbaus. Eine Idylle, die wahrscheinlich trügt.

Noch ein paar Schritte das Westufer der Förde entlang taucht das Volksbad auf. Der, für seine Zeit um 1900, typische Bäderbau wird heute als Kulturzentrum genutzt. Einst ging dort das einfache Volk zum wöchentlichen Bad. Ihre bescheidenen Wohnungen hatten keine sanitären Einrichtungen.

Es soll sogar Badegäste gegeben haben, die nur zweimal im Jahr das Volksbad besuchten. An diesen Tagen wurden daheim die Betten neu bezogen.

Am Volksbad lassen wir die Förde zunächst hinter uns und laufen zum Nordertor, dem einzig erhaltenen Stadttor des Landesteiles Schleswig und Wahrzeichen Flensburgs, hinauf.  Hier beginnt die Einkaufsmeile der Stadt. In der Norderstraße noch mit kleinen Läden aber auch viel Leerstand.

Die Norderstrasse mündet in den Nordermarkt, dem mittelalterlichen Zentrum Flensburgs. Ab hier heißt die Gehstraße erst Große Straße, dann Holm, mit den großen bekannten Einkaufsketten hinter historischen Fassaden, und führt über den Südermarkt bis in die Rote Straße.

In der Roten Straße haben sich wiederum entzückende kleine Boutique-Läden im dänischen Stil angesiedelt. Hier wird es richtig hygge.

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Hinterhof auf der Groschenseite mit Zugang zur Förde

Im Volksmund werden die beiden Seiten der Einkaufsstraße Flensburgs Pfennig- und Groschenseite genannt.

Auf der Groschenseite residierten die reichen Kaufleute, Ihre Häuser und Handelshöfe hatten einen direkten Zugang zur Förde. Viele davon sind noch erhalten, liebevoll bepflanzt und dekoriert und können erkundet werden.

Auf der Pfennigseite lebten die Handwerksfamilien. Ihre Häuser waren deutlich schlichter gebaut, in den Hinterhöfen gingen sie Ihrem Handwerk nach.

Am Nordermarkt angekommen hatten sich der Himmel aufgeklart, der Regen nachgelassen und wir uns ein ganz anderes Wahrzeichen Flensburgs gegönnt. Bei einem frisch gezapften „Flens” ließ sich der weitere Spontan-Kurztrip nach Flensburg ganz prima planen.

In diesem Sinne erst mal: „Plopp…“

(*) Meines Wissens fuhr die Helgolandfähre nur am Samstag. Wir würden noch immer auf Helgoland festsitzen…