Auszeit in den Dünen – Einfach mal nichts tun

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Laut Studien sollen die Dänen die glücklichsten Menschen sein. Im Deutschlandvergleich sollen es die Schleswig-Holsteiner sein (auch wenn uns nur Nachkommastellen von den weiteren Plätzen trennen). Warum ist das so?

Was macht uns und unsere Nachbarn im Norden dieses winzige Fünkchen glücklicher als andere? In entsprechenden Erklärungsversuchen wird oft von der Fähigkeit gesprochen, mit wenig zufrieden zu sein.

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Ist das nicht ein überhebliches Klischee der Besitzenden, das diejenigen, die am wenigsten haben, die glücklichsten sind? Frei nach Janis Joplin’s “Freedom’s just another word for nothing left to lose …” ? Nicht unbedingt.

Wenig muss nicht Mangel sein, wenig kann sich auch auf das Wesentliche beschränken.

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Mieten wir einfach mal ein Holzhaus in den dänischen Dünen und verbringen dort eine Winter-Woche. Mal abgesehen davon, dass so ein Haus zu mieten Geld kostet (wenn auch deutlich weniger als im Sommer), so ist die Liste von dem, was man dort nicht hat, um ein vielfaches länger als die Haben-Seite.

Aber die Haben-Seite ist unbezahlbar, ist das, was viele Dänemark-Urlauber suchen und lieben. Das, was so glücklich macht.

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Einfach mal nichts tun

Eine Holzhütte mit Bollerofen, charmant versteckt in den Dünen. Keine Straße, nur ein Schotterweg, keine Straßenlaternen, nur flackerndes Ofenfeuer und Kerzenschein.

Kein Mensch, kein Lärm, nur leises, entferntes Wellenrauschen. Ein Möwenschrei.

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Unsere Hütte lag gut geschützt in einem kleinen Dünental, wie ein Häschen in seiner Sasse. Durch die Fenster der Blick auf Dünengras und Himmel. Bei Sturm fegt der Wind über das Dach hinweg, rüttelt ein wenig am Schornstein. Wohlige Wärme von brennendem Holz. Zwei Sessel am Ofen, ein paar Worte. Stille.

Und ganz langsam schwindet die Unruhe, macht sich das schlechte Gewissen des Nichtstuns aus dem Staub. Was bleibt ist das Sein.

Glückliches, entspanntes, zufriedenes Sein.

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Einfach mal nichts denken

„Ich muss erst mal den Kopf frei kriegen“. Wie oft hört man diesen Satz und wie oft wünscht man es sich selbst?  Aber frei von was? Frei von kreisenden, hetzenden oder auch beklemmenden Gedanken, die einen nicht loslassen wollen.

Da hilft nur eines: raus an die frische Luft! Laufen. Ein langer, ausgiebiger Spaziergang. An den Strand, sich ordentlich durchpusten lassen, …

Oder sind das auch nur Klischees verklärter Natur-Romantiker? Ich glaube nicht.

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Ist Euch schon einmal bewusst geworden, dass man beim Blick auf’s Meer nicht denkt?

Klar, man steht da nicht am Strand und denkt, ich denke nicht (das wären ja wieder Gedanken…). Doch wenn man mal überlegt, was man gedacht hatte?

Wahrscheinlich nichts. “Nicht denken“ erkennt man erst im Nachhinein. Aber man spürt die Leichtigkeit und das Glücksgefühl des Augenblickes. Ganz losgelöst und ganz bei sich.

Wenn ich am Strand laufe, muss ich immer wieder stehen bleiben, um einfach nur auf’s Meer zu schauen. Ist das die so schwer in Worte zu fassende Faszination des Meeres?

Die Sehnsucht nach Weite und Ruhe und dem Wesentlichen im Leben, dem wir am Meer so nahe kommen?

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Unsere urbane Welt hat uns ein Stück weit von der Natur entfernt, ja, vielleicht sogar ein Stück weit von uns selbst. In der Natur können wir das Band wieder aufnehmen und wir spüren meist schnell, wie gut es uns tut.

Ich glaube sogar, je schlichter die Landschaft, desto intensiver ist das Empfinden. In der Wüste, im Eis oder eben am Meer.

Vielleicht sind die Dänen (und die Schleswig-Holsteiner) ja so glücklich, weil ihre Landschaft, das Meer und die Weite, sie immer wieder an das Wesentliche erinnert und zu sich selbst finden lässt?

Um das zu ergründen, könnte man mal nach Dänemark fahren. Am besten im Winter und dann einfach nichts tun und auf’s Meer schauen.

26 Gedanken zu “Auszeit in den Dünen – Einfach mal nichts tun

    1. Liebe Martina, wie wunderbar! Ich freu‘ mich, dass Du verstehst, was ich meine. Der Blick auf’s Meer unter Segeln ist ja noch viel schöner als vom Strand aus. Das ist Glücksgefühl pur, Du Glückliche 🙂 . Ganz liebe Grüße, Ulrike

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  1. So schön! Und ja, in meiner kleinen Hütte auf Holnis habe ich auch nichts vermisst. Im Gegenteil: Es gab dort sogar Dinge, die ich wohl noch rausgeschmissen hätte, wenn es meine gewesen wären: Ein angestaubter Fernseher, Berge von Geschirr…

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  2. Ja, ich finde das, was du schreibst sehr überzeugend und das Meer spielt ganz sicher seine beglückende Rolle. Ich frage mich nur, warum Menschen in anderen Ländern am (meist südlicheren) Meer nicht so glücklich sind. Haben wir Touristen ihnen die Stille und Weite genommen? Liegtst am größeren Gefälle von Arm und Reich, was ja als einer der wichtigen Faktoren in der Glücksforschung zählt, wenn nicht der wichtigste ?…“
    “ Ich glaube sogar, je schlichter die Landschaft, desto intensiver ist das Empfinden. In der Wüste, im Eis oder eben am Meer.“, das finde ich einfach eine schöne Aussage. Da ist auch etwas dran! Dank für diesen schönen Beitrag! LG Petra

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    1. Liebe Petra, ja vielleicht haben wir Touristen die Ruhe auf dem Gewissen aber das ist es sicher nicht allein. Da gibt es viele Faktoren, die Menschen dazu bewegt, Ihre Lebensumstände als nicht sehr glücklich einzuschätzen. Vielleicht werden in solchen Umfragen auch nur die falschen Fragen gestellt? Glück ist ja etwas ganz Individuelles… Wäre ja schlimm, wenn man ohne Meer nicht glücklich sein könnte! LG Ulrike

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  3. Danke für Deine tiefgehenden Reflektion und sehnsuchtsmachenden Photos, liebe Ulrike. Ich hatte nur selten die Gelegenheit, Zeit am Meer zu verbringen, kann aber Deine Sensationen gut nachempfinden. Da wir statt von Wasser von Bergen umgeben sind, finde ich dort Stille und Einkehr, und werde ans Wesentliche erinnert. Ich denke, wir stehen unserem Glück oft selbst im Wege.
    Sei herzlich gegrüßt,
    Tanja

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  4. Da hast du ja doch noch ziemlich viel gedacht, liebe Ulrike. 😉 Nee, Spaß beiseite: Danke für die wunderschöne Meeresmeditation in Wort und Bild! Genau diese Reduktion ist es auch aus meiner Sicht, die ein paar Tage am Meer auch und gerade im Winter so reizvoll machen.

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    1. Meditation – das ist das Wort, liebe Maren, dass ich die ganze Zeit gesucht habe! 😉 Auch Spaß beiseite: Du kennst dieses Gefühl doch sicher auch. Ist man im äthiopischen Hochland oder der jordanischen Wüste nicht auch so reduziert und ganz bei sich?

      Ich habe erst im Nachhinein 🙂 darüber nachgedacht, was so besonders war an der Winter-Nordsee. Das ist ja das Fantastische an einem Blog. Man erlebt jeden Ausflug und jede Reise mindestens zweimal. Einmal real und dann noch einmal beim Schreiben und Bilder zusammenstellen. Entspannte Grüße, Ulrike

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      1. Ja, ich finde, man kann die Landschaften durchaus miteinander vergleichen – genauer vielleicht: was sie in einem auszulösen vermögen. Die äußere Stille, die dafür sorgt, dass auch im eigenen Inneren Ruhe einkehrt. Die Weite, die einen umgibt und die zugleich das eigene Herz weit macht – und den Kopf gleich mit oder auch ganz leer, was ja kein Widerspruch sein muss. 😉 Und last but not least: das Gefühl tiefer Verbundenheit, das sich einstellt…
        Was du über das Reisen und das Bloggen schreibst, liebe Ulrike, das empfinde ich auch so: Das Bloggen vertieft die eigenen Eindrücke noch. Ebenso wie auch der Gedankenaustausch von Blog zu Blog.
        Einen schönen Sonntag wünsche ich dir!

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  5. Hat dies auf Federflüsterin rebloggt und kommentierte:
    Wenn Novembergrau schon am frühen Morgen ins Fenster kriecht , dann wünsche ich mich fort. Allerdings nicht in südliche Gefilde! Mich befällt die Sehnsucht nach vom Wind umstürmten Dünen, durchgekämmten Strandhafer, rollenden Gischtwellen und menschenleerem Wellensaum. Nach weiter Stille und tosender Bewegung. Mich befällt die Sehnsucht nach dem Nordmeer!

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  6. Liebe WattundMeer, Du hast auf den Punkt gebracht, was viele „Berg“-Menschen nicht verstehen, dass das Meer mit all seiner Unendlichkeit und Weite verinnerlicht.
    Du sprichst mir aus dem Herzen!

    Deine Federfluesterin

    P.S.: Ich habe mir erlaubt, Deinen Beitrag zuu rebloggen. Ich hoffe, es ist Dir recht?

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    1. Liebe Federfluesterin, hach, das freut mich jetzt aber. Berge haben auch ihren speziellen Reiz aber die Weite des Meeres fehlt (mir) dann doch. Rebloggen ist mir recht – vor allem wenn’s um die Liebe zum Meer geht 😉 LG Ulrike

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